2005 / Kamera / Ehrenpreis

Robby Müller

Ehrenpreis 2005

Begründung der Jury

Robby Müller ist Ehrenkameramann des Jahres 2005. Mit dieser Auszeichnung wird er für sein Gesamtwerk geehrt. Der aus den Niederlanden stammende Bildgestalter erlangte Weltruhm mit Wenders-Klassikern wie „Alice in den Städten“ oder „Paris, Texas“. Zudem verlieh er den Filmen von so unterschiedlichen Regisseuren wie Jim Jarmusch, Hanns W. Geißendörfer und Lars von Trier ihren unverwechselbaren Stil.

Robert „Robby“ Müller, geboren am 4. April 1940 in Willemstad, Curaçao (Niederländische Antillen), bereist schon als Kind die Welt, weil sein Vater für eine Ölfirma arbeitet. Auch ist dieser ein begeisterter Filmamateur, der seinem Sohn gerne seine Zweitkamera überläßt. 1953 kommt Müller nach Amsterdam, wo er nach Gymnasium und Militärzeit zwischen 1962-64 ein Studium an der Nederlandse Filmacademie in Amsterdam absolviert. Anschließend arbeitet er mehrere Jahre als Assistent von Gerard Vandenberg, der in der Bundesrepublik einer der wichtigsten Kameramänner des Neuen Deutschen Films ist und unter anderem Filme von Peter Zadek und Peter Lilienthal fotografiert. 1968 lernt Müller Hans W. Geißendörfer kennen, der ihn als Kameramann für seinen ersten eigenen Fernsehfilm, „Der Fall Lena Christ“, engagiert. Gemeinsam drehen sie in den 1970er Jahren neun Filme, meist für das Fernsehen. Aufnahmeleiter bei „Lena Christ“ ist ein gewisser Wim Wenders, dessen Hochschulfilme „Alabama“ und „Summer in the City“ Müller fotografiert. Es ist der Beginn einer langen künstlerischen Partnerschaft.

Gemeinsam entwickeln sie einen Stil, der Müllers Vorliebe für unverzerrte, feste Brennweiten, natürliche Lichtgebung und chronologisches Drehen entspricht. Nichts soll sich dem Auge selbstzweckhaft aufdrängen, alles dafür die Erzählung und den Stimmungsgehalt unterstützen. So entstehen Meisterwerke wie „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1972), „Alice in den Städten“ (1974), „Falsche Bewegung“, (1975), „Im Lauf der Zeit“ (1976) oder die aufwändige Highsmith-Adaption „Der amerikanische Freund“ (1977). Als Wenders in den USA „Hammett“ realisiert und Müller keine Arbeitserlaubnis erhält, lässt er seinen Kamerastil zwei weiteren Klassikern des Neuen Deutschen Films zugute kommen: Peter Handkes „Die linkshändige Frau“ (1977), Geißendörfers „Die gläserne Zelle“ (1978). Dann steigt er doch noch ins US-Kino ein, auch wenn es mit Peter Bogdanovichs „Saint Jack“ (1979) erst mal nach Singapur geht. Es folgen Jerry Schatzbergs Roadmovie „Honeysuckle Rose“ (1980) mit Willie Nelson, Bogdanovichs „They All Laughed“ (1981) und – als einziger Mainstreamfilm – William Friedkins Großstadt-Thriller „To Live and Die in L. A.“ (1985). Besonders stimmungsvoll gerät Müllers Fotografie für Barbet Schroeders Kneipenfilm „Barfly“ (1987). 1983/84 gibt es wieder einen gemeinsamen Film mit Wenders, der nun auch auf Müllers eigene Erfahrungen mit dem nordamerikanischen Kontinent bauen kann; „Paris, Texas“, in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, ist das vielleicht schönste ihrer joint ventures und bringt Müller einen DEUTSCHEN KAMERAPREIS ein. Nach dem aufwändigen Science-Fiction-Film „Bis ans Ende der Welt“ (1991) arbeitet Müller nur noch beim Amsterdam-Dreh von „Buena Vista Social Club“ (1999) für einen Wenders-Film. Dafür hat Müller mit dem meisterhaften Schwarzweißfilm „Down by Law“ (1986) eine langjährige künstlerische Partnerschaft mit Jim Jarmusch begonnen, aus der noch „Mystery Train“ (1989), „Dead Man“ (1995) „Ghost Dog“ (1999) und eine Episode aus „Coffee and Cigarettes“ (2003) hervorgehen. Weitere bedeutende Regisseure des internationalen Autorenfilms suchen seine Arbeit: Andrej Wajda engagiert ihn für seine eindringliche Arbeit über das Warschauer Ghetto „Korczak“, (1990); Sally Potter für ihren musikalischen Liebesfilm „The Tango Lesson“, (1997), Lars von Trier für seine radikalen Melodramen „Breaking the Waves“ (1996) und „Dancer in the Dark“ (2000), Michael Winterbottom für seine stimmungsvolle Rave-Historie „24 Hour Party People“ (2002). So unterschiedlich diese künstlerischen Ansätze, immer wieder erreichte es Müller, die Kamera zu jener Klarheit zurückzuführen, die er 1985 in einem Interview so beschrieb: „Wenn man alles auf das Notwendigste reduziert, gibt es einfach eine Linse, einen Film und einen Knopf – an und aus.“

Begründung des Kuratoriums DEUTSCHER KAMERAPREIS Köln e.V.: „Augen kann man nicht kaufen“, hat Wim Wenders einmal gesagt. Jeder gute Künstler hat seinen Preis, aber Robby Müllers Kameraarbeit ist von unschätzbarem Wert. Man kann ihn nur dann gewinnen, wenn er selbst fest an ein Projekt glaubt. So findet sich in seiner Filmographie wohl kein einziger Film, der es nicht wert gewesen wäre gemacht zu werden – aber viele, die sich ohne Robby Müller nie hätten realisieren lassen. Noch bevor er die großen Wenders-Filme fotografierte, „Alice in den Städten“, „Im Lauf der Zeit“, „Der amerikanische Freund“ oder „Paris, Texas“, war er mit seinen ersten Arbeiten für Hans W. Geißendörfer dem Neuen Deutschen Film verbunden.

Die Einfachheit und Klarheit seines Blicks und seine untechnisierte Arbeitsweise strafen jeden Lügen, der meint, alles beim Film müsse durch viele Hände gehen. Robby Müllers (Kamera-)Auge aber wanderte durch die Welt, prägte das amerikanische Independentkino eines Jim Jarmusch, Peter Bogdanovich oder Barbet Schroeder ebenso wie das radikale Kunstkino des Dänen Lars von Trier. Robby Müller, der unkorrumpierbare Bilderzähler: Wenn es je einen Kamerakünstler gegeben hat, dann ihn.